20 Jahre inklusive Wintersportwoche

Sonnenstrahlen spiegeln sich im zugefrorenen Mittersee, Schneekristalle reflektieren das Licht, die gefrorenen Baumwipfel bewegen sich rhythmisch im Takt des Windes. Gleichmäßiges Knirschen unterbricht die stille Bergidylle im Hochtal vor Ruhpolding. Ein bunt gekleideter Langläufer taucht in der Loipe auf, eine lange Reihe folgt. Strahlende Gesichter verdeutlichen den offensichtlichen Spaß der dick eingepackten Gruppe, trotz körperlicher Anstrengung und einer Außentemperatur von – 8 Grad.

Einzigartiges Projekt

Ein in Europa wohl einzigartiges Projekt ist erneut eine Woche im Frühjahr zu Gast im Berchtesgadener Land – gelebte Inklusion, bestehend aus vier Projektpartnern, die im Laufe der letzten Jahre zusammengewachsen sind.

Zum 20. Mal unterstützen Realschüler*innen der Wilhelm-Sattler-Realschule Schweinfurt die Sportler*innen der Christophorusschule Würzburg. Die Anfänge des Langlaufkurses liegen aber bereits in den 80er Jahren des letzten Jahrtausends. Der ehemalige Schulleiter Dieter Graner hat diese Skifreizeit gemeinsam mit den beiden Lehrkräften Ruth Krieg und Horst Umbenhauer für seine Schüler*innen der Lebenshilfe Würzburg in Solla/Bayerischer Wald angeboten – parallel etablierte sich eine Langlaufwoche der Graf-zu-Bentheim-Schule Würzburg (Blindeninstitut) im nahe gelegenen Mauth. Nach einigen gemeinsamen und getrennten Jahren dort sowie einigen gemeinsamen Jahren in Unterjoch/Tannheimer Tal wurde die Wintersportwoche nach Ruhpolding verlegt. Im dortigen Labenbachhof finden alle Beteiligte optimale Verhältnisse vor – behindertengerecht, preislich finanzierbar und schneesicher. Seit ca. 10 Jahren sind auch Sportler*innen der Bentheim-Werkstatt sowie der Mainfränkischen Werkstätten an dieser außergewöhnlichen Sportfreizeit beteiligt. Mit viel Enthusiasmus und großer Eigeninitiative – oftmals mit großem Energieaufwand gegen die bestehende Bürokratie! - kooperieren die langjährigen Verantwortlichen Christoph Hoffmann, Thomas Bösch (beide seit 1988), Georg Harbauer (seit 1996), Wolfgang Holler (seit 2004) und Andreas Wehnert (seit 2012) miteinander.

Vielfältige Aktivitäten

Die Teams sind eingespielt und verstehen sich „blind“. Viele weitere Helfer und Ehrenamtliche sind regelmäßig beteiligt.

Schüler*innen mit verschiedenen Behinderungen und Regelschüler*innen in einem Kurs, auf den ersten Blick offenbart sich Außenstehenden meist kein Unterschied! Alle Teilnehmer*innen profitieren gegenseitig – nicht nur in sportlicher Hinsicht – voneinander. Gemeinsamer Wintersport, Spiele-Abende, Schwimmbadbesuche, Wanderungen, Lieder-Session mit Blues-Gitarrist Harvey Knörr, Filmvorführungen, Sportaktivitäten im Haus, gegenseitige Unterstützung und viel Lebenserfahrung, Sozialkompetenz und Selbstwertgefühl, mehr kann Inklusion nicht leisten! Jugendliche mit Einschränkungen im sozial-emotionalen Bereich, im visuell-auditiven Bereich und zum Teil auch mit körperlichen Behinderungen gemeinsam und gegenseitig akzeptiert als Team unterwegs.

Pflicht: Einkehrschwung in die Plenkhütte

Nach einem gemeinsamen Frühstück werden die Lunchpakete gepackt und mit Kleinbussen begibt sich die Gruppe ins nahe gelegene Langlaufgebiet, nach Fähigkeiten und Können aufgeteilt, zum Teil zu unterschiedlichen Einstiegen. Dementsprechend werden auch unterschiedliche Tagesstrecken zurückgelegt, wobei die richtig Fitten schon mal 25 km schaffen. Wichtig ist jedoch das gemeinsame Erlebnis in der schneebedeckten Natur, viele Teilnehmer*innen kommen in ihrem Leben erstmals in dieser Woche mit winterlicher Bergnatur in Berührung. Bewegung im Freien – oft bei Minusgraden – macht doppelt Spaß, wenn die Sonne scheint - und vor allem hungrig. Die kleine Plenkhütte am Biathlonstadion von Ruhpolding hat uns ins Herz geschlossen und immer einen Platz – zum Aufwärmen und zum Essen und Trinken. Die günstig angebotenen zwei paar Wiener sind der Renner zum Auftanken nach viel Bewegung.

Auch das Team des Biathlon-Experten Fritz Fischer nimmt uns stets sehr offen und freundlich in Empfang, ein Biathlonschießen auf dem Schießstand des WM-Stadions bildet neben dem Abschlussrennen den Höhepunkt der Woche. Wo sonst betreut ein gut gelaunter Olympiasieger als Schießtrainer gehandicapte Sportler? Siegerehrung und Abschluss-Disco läuten das Ende der Woche ein. Viele Tränen fließen zum Abschied und verdeutlichen, dass die verschiedenen Gruppen in dieser Woche eng zusammengewachsen sind und das ist Inklusion wie sie ein soll. Nachhaltig, gemeinsam, wertschätzend und absolut nachahmenswert! Bestätigt durch die Aussage der Schülerin Lea, „sie sei seit vielen Jahren nicht so glücklich gewesen wie in dieser Woche“ !

Besuch aus Würzburg

In diesem Jubiläumsjahr wurde die Aktion durch die Anwesenheit interessierter Persönlichkeiten aufgewertet. Zunächst gab es eine Einladung durch Ruhpoldings Bürgermeister Pfeifer ins Rathaus. Des weiteren bekundeten Sportamtsleiter Jens Röder sowie die Inklusionsbeauftragte des Sportbeirats, Annette Wolz, ihren Respekt vor diesem einzigartigen Projekt und beteiligten sich mit einem Kurzbesuch am Biathlon-Lehrgang bei Olympiasieger Fritz Fischer in der Chiemgau-Arena.

Ein großer Dank geht an alle Begleiter*innen und Unterstützer*innen dieses einmaligen Inklusions-Projekts. Möglich ist diese Ski-Woche ebenfalls nur durch die Unterstützung des BVS Bayern und dem Bayrischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales, sowie einiger lokaler Sponsoren, wie dem Fachbereich Sport der Stadt Würzburg, der Sparkassenstiftung, dem Blindenobsorgeverein oder dem Vitalsportverein.

Bericht und Bilder: Christoph Hoffmann


Para Ski nordisch Inklusion Würzburg Bezirk Unterfranken
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Vital-Sportverein Würzburg 1952 e.V.
Christoph Hoffmann
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Die Veranstaltung wird aus Mittel des Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales gefördert.

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